Konkreter knabe
Adam Budak
du bist zu kostbar, oder der reiz eines kronkreten knabens.
am ufer eines sees, im schatten eines paradigmenwechsels. gib, du unreifer, mir die schuld für (meine) liebe, wo du nichts versprichst. nichts, was der leere dieser möglichkeit widerstände. als verkleideter ist ein konkreter knabe nicht die rauheit einer kante; lediglich eine glatte präzision eines nicht artikulierten wortes, eines wortes eines tabernakels meiner handfläche, ein organischer schatz, hyper-fragilität. konkrete poesie ist dein zimmermannswerk der dinge, eine niemals stattgefundene berührung, eine prägung (jemandes erinnerung?). du. in den armen von syntaxen und diagrammen, unheimlichen schalen der sprache, ein schönheitswettbewerb. beneide, mein gegner. mich.
dein objekt, überbehütetes juwel der ungreifbarkeit, ein posthumer fetisch auf dem seziertisch eines spekulativen realismus, ein opernartiges spektakel einer biomorphen allure. du, hamletscher könig unendlichen raumes, gebunden in knappen worten; ein semiologischer schamane (deine intimität verschüchtert, während du dich hinter einer verwickelten form entkleidest). die alchemie ist deine poiese; eine garantie der elastizität, acqua viva also. die inszenierte materie einer neo-dada assemblage: volumen und oberflächen, lebhafte sujets einer zufälligen choreographie, periphere partikel, gerettet und gezüchtigt, des zerfalls und vergessens, heroische figuren des widerstands. das blut eines dichters? das konkrete eines dichters? flüssig und fest, eine außerirdische phänomenologie des lyrischen homo fabers. dort sehe ich aleph, dessen enigma; spiegel in einem spiegel, hysterie. ein tiger und eine galaxie; ein tagtraum und seine heterotopie. mit makelloser leidenschaft bietest du tragfähiges verlangen nach einer welt des verfalls; während dieser zunimmt, wird eine hingabe geboren (es besteht immer der bedarf eines neuen rituals). hast du in der zwischenzeit eine neue seite geschrieben? gar ein neues kapitel? vergänglich, wie du es bist; radikal, wie du es für mich bist – ein monument der sehnsucht. deine haut, transparent, ein dionysisches fest zarter metaphysik. bin ich deiner würdig? raupe, mond. überall, eine melancholie. liebe muss neu erfunden werden (meine lieblingszeile). dein lebensraum, ein ontologischer altar der subversion, eine verfallene fabrik karnevalesker objekte (jedes einzelne, echt und sinnlich, die probe einer heimkehr); eine wunderkammer, geschmückt mit amuletten der selbstermächtigung und des stolzes.
reiz eines ökonomischen ornaments, verlockung eines magischen rituals für eine postkoloniale dämmerung? verführung eines primitiven verstandes, ein bricoleur, dessen einsame praxis – bewusstseinsstrom – aus dem nichts die kommunion einer schwindenden bedeutung? deine mittel bei der hand – nostalgisches alles – die der bricolage innewohnende sprache der verführung. hybride, chimären, monsterminiaturen, trophäen eines handwerkers, micro-architektonischer körper im werden, zu exzentrisch um seine endlichkeit zu schützen. kohärenz ist ein segen, keine notwendigkeit; ein mythos der verdrängenden wahrheits-gestaltung. unmögliche perfektion. du bist zu kostbar; ein panallurist, fabrikator von revoltierenden objekten (verlockung, das prinzip einer solchen revolution, ein motor für die schöpfung von objekten, ein vermittler). indem sie neue beziehungen zwischen den objekten generiert, macht allein die verlockung quantensprünge von einem realitätsstatus zum nächsten. während ich mit dir reise, nehme ich die stille deiner kosmischen stimme wahr. während wir uns fortbewegen, trennen wir uns (ich bin, bis auf die knochen, ganz aufs neue verlockt). verlockung ist die gegenseitige anwesenheit der objekte in abwesender form. während ich aufdrehe berühre ich die poröse haut einer leblosen materie, unsere zukünftige dichtung des alltags, eine weitere “potente” form, eine neuentdeckte abwesenheit. dein mittel, reiz, manövriert zwischen sinnlichem und realem. das prinzip des konkreten: verlockung ist stets die verlockung konkreter objekte, nicht des universellen. es ist ein prozess des konkretisierens, nicht der abstraktion; du sagst, der zäheste stoff ist eines menschens denken. philosophie ist weniger eine gestaltung von konzepten als eine gestaltung von objekten. stell dir vor, du, ein philosoph.
konkreter knabe ist (nicht) ein materielles mädchen (eine fälschung). du singst sanft, aber bestimmt. hallelujah. gib bescheid, wenn’s vorbei ist. epiphanien vergehen. dein atem, ein haiku. nichts lässt sich wirklich anwenden, weder amplifizieren (selbst-vernichtendes nichts). du löschst mich aus, jetzt und später, deine art von liebe, falsch ausgesprochen. objekte fließen, zeichen verformen sich. die welt ist verschwunden. ich werde dich tragen. mittlerweile. (ich) verschwinde. lebe wohl. alles ständische und stehende verdampft, eine modernistische niederlage eines konkreten knabens, eine vergangene epoche. lebe wohl, einmal mehr, heiligkeit der langsamkeit; das ist demut. unerträgliche romantiker der leere. am ufer eines sees, im schatten eines paradigmenwechsels. du.
– Budak, Adam. Wien: Georg Kargl BOX, 2020 (Ausstellungstext).